Liebe Familie, liebe Freunde,
wer von Euch hat nicht schon einmal eine Einladung zum Geburtstag in Gedichtform von unserem Vater bekommen?
So scheint es mir für ihn nur konsequent, in den Gedanken an die eigene Endlichkeit die Einladung zu seiner Verabschiedung aus diesem Leben auch in solch einer Form auszusprechen. Als wir 4 Kinder am Tag nach seinem Tod in seinem Wohnzimmer zusammensitzen, entdecken wir dieses Gedicht obenauf in einer Dokumentenmappe –
Wir sitzen da in unserer Trauer und lesen:
Ein fröhlicher Abschied – von Volkhard Erdelbrock – aus diesem Leben
Ihr seid versammelt hier zu einem Totengange.
Gewohnheit sagt, dass Trauern ist hier Pflicht!
Ich bitte Euch: Hebt an zum fröhlichen Gesange,
weil mir zuteil der Zugang ist zum Licht.
… und wir sind einfach nur berührt von unserem Vater….
Als unser Vater 2007 diese Zeilen schreibt, ist so etwas wie eine Pandemie mit all ihren gesellschaftlichen Konsequenzen noch nicht vorstellbar.
Wir dürfen heute nicht singen; auch können ihm viele nahestehende Menschen nur in Gedanken das Letzte Geleit geben. Aber trotzdem können wir alle im Herzen gemeinsam für ihn singen, an ihn denken und von ihm Abschied nehmen.
Er hat sich gewünscht, dass Johanna und Sven für ihn und für uns musizieren. Ich bin sicher, dass er sich besonders freut, dass auch Boris Bachmann und Matthias Kirschnereit dabei mitwirken, mit denen auch ihn seit vielen Jahren eine Freundschaft verbindet.
Biografische Notizen:
Volkhard Herdegen Erdelbrock kommt am 27.August 1941 in Allenstein zur Welt. Er ist der zweite Sohn der Krankenschwester Eva-Maria und Postrats Albert Dietrich Erdelbrock.
Volkhards Vater kehrt aus dem Krieg nicht zurück und die Mutter schlägt sich 1945 mit ihm und seinem Bruder Dietbert zu ihren Schwiegereltern nach Bonn durch. Das Fehlen des Vaters, wie dieser wohl war, was er fühlte und dachte, ist eine Lücke. In seiner Jugend und als junger Erwachsener nimmt er sie nicht wahr, doch je älter er wird, desto mehr ist sie sichtbar und lässt sich nicht schließen.
Im großelterlichen Haus in Bonn verbringt Volkhard seine Jugend, besucht das (altsprachliche) Beethoven-Gymnasium, an dem er 1961 sein Abitur ablegt. Es folgt ein Studium von Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Tübingen, Hamburg, Bonn und Köln. Seine Tübinger Zeit ist geprägt von der Aktivität im Corps Rhenania.
Freundschaften aus Schul- und Studienzeit begleiten ihn lebenslang. Die Schwester seines Klassenkameraden Volker hat es ihm angetan. Als Sigrun zum Studium nach Hamburg geht, sucht er dort eine Anstellung als Diplomkaufmann. Sie heiraten 1966 und bekommen 3 Söhne: Jan, Sven und Georg.
1966 beginnt Volkhard bei der ESSO Deutschland seinen Berufsweg. ESSO Deutschland hat keine eigene EDV und als junger akademischer Kaufmann denkt er sich, dass er sich um diese Technologie kümmern müsse, wenn er die Jahrzehnte bis zu seiner Pensionierung erfolgreich überstehen will. So bewirbt er sich 1968 bei IBM Deutschland.
Bei IBM lernt er Programmieren, Betriebssysteme etc. und versteht am Anfang nur (Zitat)„Bahnhof“. Mit der Zeit erkennt er, dass er (Zitat) „das ganz große Ass als Systemspezialist nicht werden wird“. Im Team von Heinz Eggers unterstützt er Speditions-Mitarbeiter durch Schulungen und Telefonsupport. Heinz Eggers erkennt Volkhards Begabung und macht aus dem Systemspezialisten einen Vertriebsbeauftragten für den Bereich Schifffahrt und Transport. Durch seine Kunden baut er ein eigenes Wissen über die diversen logistischen Prozesse auf.
1980 sucht Volkhard neue berufliche Herausforderungen, findet diese bei dem Kölner Softwarehaus GFS-Midas und baut für diese eine Geschäftsstelle in Hamburg auf.
Für GFS-Midas nutzt er seine alten geschäftlichen Kontakte und berät die Gesamt Hafen Betriebsgesellschaft (GHBG) bei der richtungsweisenden Planung zur Erstellung eines einheitlichen Datenkommunikationssystems (Dakosy)
für alle im Hafen aktiven Firmen.
Als die GHBG das DAKOSY-Projekt realisiert und wochenlang keinen geeigneten Projektleiter findet, spricht sie Volkhard an und dieser sagt zum Oktober 1981 zu.
Mitte der 80er Jahre geht seine Ehe mit Sigrun auseinander. Mit seiner neuen Frau Sabine wird er im Oktober 1986 zum vierten Mal Vater, diesmal mit einer Tochter – Johanna.
In seiner eng bemessenen freien Zeit, engagiert er sich in der Ahrensburger Kommunalpolitik und später im Vorstand der Rudolf-Steiner-Schule.
Die Sommerurlaube am Wolfgangsee im Salzkammergut und die Skiurlaube in Tirol sind die prägenden Erinnerungen der Kinder an gemeinsam verbrachte Zeit mit ihrem Vater.
Im beruflichen ist er stolz darauf, einen ganz eigenen kooperativen Führungsstil entwickelt zu haben. Mit einem engagierten Team um sich, führt er das Softwarehaus von einer (Zitat) „kleinen Entwicklerbude für die Logistik-IT im Hamburger Hafen“ zu einer Aktiengesellschaft mit Kunden in ganz Deutschland, Europa und der Welt. Als beruflichen Höhepunkt seines Lebens bezeichnet er entsprechend auch „die Entwicklung des Datenkommunikationssystems DAKOSY für den Hamburger Hafen und darüber hinaus die Schaffung eines hochprofitablen Unternehmens“.
Als er zum 1. Januar 2005 in den Ruhestand geht, fühlt er trotz Aufsichtsratsfunktion, selbständiger und ehrenamtlicher Beratertätigkeit eine Leere. So kommt ihm das Angebot seines Freundes Wolf-Dieter Longrée entgegen, in Rumänien für ihn ein Büro aufzubauen. Dort entsteht das Gedicht „Ein fröhlicher Abschied – von Volkhard Erdelbrock – aus diesem Leben“.
Er bleibt ein verlässlicher stetiger Begleiter seiner Kinder und ihrer Familien, seiner Freunde und Verwandten, gerne auch still und aus der Entfernung, aber zur Stelle, wenn man ihn braucht.
Der Verlust seiner Selbständigkeit nach einem Schlaganfall 2017 nimmt ihm die Lust am Leben, doch es dauert bis zum 17. Februar diesen Jahres, bis er gehen darf. Kurz vor dem Schlaganfall schreibt er Johanna in ein Erinnerungsbuch als Antwort auf die Frage, wer oder was ihn in schwierigen Zeiten unterstützt: (Zitat)
„Bei meinen [schweren] Krankheiten […] haben sich Sigrun und Sabine sowie alle meine Kinder sehr intensiv und liebevoll um mich gekümmert. Es war und ist ein wunderbares Gefühl, in solchen Notsituationen nicht alleine zu sein.“
An Weihnachten 1941 hat dich dein Großvater Johannes Wichmann in der alt-lutherischen Kirchengemeinde zu Berlin getauft; es war dein Wunsch, dass wir uns hier in deiner alt-lutherischen Kirchengemeinde zur Heiligen Dreieinigkeit mit einem Gottesdienst von dir verabschieden. Nun hat sich der Kreis geschlossen.
In den letzten Wochen und Tagen seines Lebens stehen ihm nun wieder Sigrun und Sabine und seine Kinder zur Seite. Gut umsorgt von 2 engagierten, ständig anwesenden Pflegekräften, in seinem schönen Häuschen, in seinem eigenen Bett und in Anwesenheit von Georg, kann er am 17. Februar gehen und gibt uns mit auf unseren Weg:
Ich lebte, Ihr lebt noch gebunden an die Erde,
ich geh‘ voraus in Gottes Ewigkeit.
Mein Sterben jetzt ist doch ein neues Werden,
das überwindet jeden Raum und Zeit.
Drum sollt Ihr singen, fröhlich musizieren,
weil Euch der Freund und Vater ging voran,
so mögt des Glückes Zukunft Ihr schon spüren,
auch Eure Seligkeit kommt irgendwann!