Zum Tode von Volkhard Erdelbrock

Von Volkis Tod habe ich erst jetzt erfahren. Viele Erinnerungen sind wach geworden. Es ist traurig, daß er es in seinen letzten Lebensjahren so schwer hatte. Ich habe ihn 1954 als „Volki“ kennengelernt, als wir Klassenkameraden wurden, und für mich ist er immer „Volki“ geblieben. Volkhard wurde er nur in seiner Familie genannt. In der Quarta/Untertertia haben wir uns oft nachmittags im Umfeld der Reutersiedlung getroffen, wo etliche Klassenkameraden wohnten, und haben dort die Straßen und den Venusberg unsicher gemacht. Ich erinnere das besonders, weil Volki ein Fahrrad fuhr, dessen Vorderrad lose in der Gabel lag (es ließ sich nicht festschrauben), und Volki alle unsere Streifzüge mit diesem Fahrrad bestritt, glücklicherweise ohne jeden Unfall. Volki war in solchen Dingen immer großzügig und voller Gottvertrauen.

In den 60er Jahren  nach dem Abitur fuhren wir zwei Mal – zusammen mit Sigrun und Uta , unseren späteren Frauen – zum Skilaufen nach Kolbnitz in Kärnten und zwar mit Volkis altem VW-Käfer. Der hatte noch Zwischengas und war ein  Cabriolet. Die Fahrten verliefen – wie befürchtet – nicht reibungslos. Bei einer Fahrt ging zwischen Nürnberg und Ingolstadt die Lichtmaschine entzwei. Gottseidank konnte sie in einer Dorfwerkstatt repariert werden. Bei der anderen Fahrt war etwas  mit den Bremsen, sie konnten am nächsten Morgen in Bad Reichenhall repariert werden. Später am Tag, als wir zu unserem Quartier beim Bauern Platzer – hoch über Kolbnitz, der Weg war steil, kurvenreich und eisig – hochfuhren, landeten wir in einer Wiese, aus der wir uns nur mit Hilfe eines Traktors befreien konnten. Die beiden Skiurlaube verliefen aber sehr schön und harmonisch.

Unvergesslich wird mir auch unser gemeinsamer Skiurlaub 1984 in Samnaun bleiben. Wir wollten ursprünglich zu vier Klassenkameraden dorthin fahren, zwei sind aber abgesprungen. Samnaun – auf 1800m Höhe über dem Inntal gelegen – bildet zusammen mit Ischgl ein sehr schönes Skigebiet – außerdem zollfrei, es gab edle Brände, an denen wir uns labten (in Maßen). Volki hatte damals gerade die Dakosy  gestartet und erzählte mir viel darüber. Das war ein kühnes Unterfangen, da hat er sich was getraut! Das Besondere aber war, dass es nach acht Tagen schönsten Skiwetters vier Tage lang heftig schneite und wir eingeschneit waren. Nach zwei Tagen wurden alle Straßen geschlossen, wir durften den Ort nicht verlassen, am dritten Tag in der Nacht kamen die Lawinen. Autos und Häuser wurden verschüttet, Menschen kamen ums Leben. Das Samnauner Tal war abgeschnitten, Strom und Telefon fielen aus, die Brötchen zum Frühstück fehlten, die Mahlzeiten wurden eintöniger. Wir konnten nicht viel machen, so haben wir Volkis Audi freigeschaufelt. Als die Straße dann Sonnabend Mittag wieder passierbar war, haben wir beim Runterfahren 14 Lawinen gezählt, große Gebilde mit vielen Bäumen darin, Hochachtung den Räummannschaften! Wir fuhren dann über tiefverschneite Straßen zusammen bis Wörgl, wo ich versuchte, einen Zug in Richtung Bonn zu bekommen (ein gesondertes Abenteuer, von dem ich hier aber nicht berichte). Volki fuhr weiter nach Kitzbühl, wo es ihn immer wieder mal hinzog.

Volki war ein treuer Klassenkamerad. Wann immer er konnte, kam er aus Hamburg zu unseren weihnachtlichen Klassentreffen, und machte auch sonst die gemeinsamen Klassenreisen mit. So war er 1986 in Rom (25-jähriges Abiturjubiläum) mit dabei. Es herrschte Tschernobyl, es gab keinen Salat mehr, aber wir haben uns viel angesehen und hatten viel Spaß. Das Foto zeigt Volki auf einem römischen Motorrad, an dem er einfach nicht vorbeikam, ohne sich darauf zu setzen.  In sehr guter Erinnerung habe ich auch unsere Klassenfahrt nach Hamburg Anfang der 2000er Jahre, wo uns Volki als vorzüglicher Gastgeber empfing und uns die Dakosy, sein Lebenswerk, vorstellte und  mit Hamburger Spezialitäten aufs Leckerste bewirtete. Eine der letzten gemeinsamen Klassenreisen war unsere Romreise im September 2011 aus Anlass des 50-jährigen Abiturs. Ich war zwar nur kurz auf Stippvisite von Marina di Grosseto dazugestoßen, aber es war schön, die Klassenkameraden in Rom zu treffen.

Ich füge ein schönes Foto von Volki bei, das Bernd Hagen von ihm und seiner (Bernds) damaligen Freundin Claudia gemacht hat. Sie sind beide sehr gut getroffen, leider  beide jetzt tot, Claudia schon länger, aber es ist doch eine schöne Erinnerung. Kurz zum Thema Alkohol: Hannes hat in seinem Abschiedsgedicht darauf angespielt, in seiner Art, mehr Balkenhol als Riemenschneider, aber doch  – so meine ich – eine treffende Karikatur. Von manchem Klassenkameraden ist es vielleicht anders verstanden worden, aber man darf das nicht zu eng sehen. Wir, die KU2, kamen offiziell mit dem Alkohol bei einem Besuch der Bonner  Kurfürstenbrauerei in Berührung. Da hatte ich – und andere – meinen ersten Rausch. Unser späterer Klassenlehrer Erich Hochstein (vulgo Barras) pflegte uns gelegentlich des Nachmittags im Würzburger Hofbräukeller zu versammeln. Das Bier schmeckte vorzüglich. Das „Würzburger“ wurde unsere Stammkneipe, nach dem Abitur haben dort viele weihnachtlichen Klassentreffen stattgefunden. Bei der Bundeswehr war man auch kein Kostverächter, und als Verbindungsstudent – Volki in Tübingen, ich in Freiburg – auch nicht. Das gehörte einfach zum Erwachsenwerden und Mannsein dazu. Später sind wir ruhiger geworden, aber nicht abstinent!  Ich denke nicht, dass Volki sich über Hannes‘ Gedicht geärgert hätte, vielleicht hätte er sich sogar ein wenig geschmeichelt gefühlt. Aber das ist nur meine Vermutung.

 

So hat sich Volkis Lebenskreis jetzt geschlossen. Wir haben zuletzt im Dezember 2020 miteinander telefoniert, da war er nicht gerade fröhlich, aber gefasst. Ich hoffe, dass es ihm jetzt gut geht. Ruhe in Frieden, lieber Volki.

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